»Unsere Strategie erweist sich als
robust und zukunftsfest.«
Über 100 Destinationen
Fritz Joussen, die TUI Group ist trotz weiterhin großer geopolitischer Herausforderungen im vergangenen Geschäftsjahr erneut zweistellig beim operativen Ergebnis gewachsen. Wie war das möglich?
Fritz Joussen: Unsere strategische Aufstellung als integrierter Touristikkonzern hat sich gerade auch im vergangenen Jahr als enorm robust erwiesen, aller exogenen Schocks zum Trotz. Da wir den Zugriff auf alle Bausteine der touristischen Wertschöpfungskette besitzen und in nahezu allen Destinationen der Welt präsent sind, konnten wir flexibel auf die veränderten Reisewünsche der Gäste reagieren. So haben wir beispielsweise nach dem Absturz einer Kolavia-Maschine in Sharm-el-Sheik Ende 2015 innerhalb von 24 Stunden für 26 Millionen Euro zusätzliche Bettenkapazitäten in Spanien eingekauft, neue Flugpläne erstellt und unsere Vertriebe auf diese Ziele hin ausgerichtet. Von dieser Flexibilität profitieren sowohl wir, und zwar in wirtschaftlicher Hinsicht, als auch unsere Kunden von einem extrem vielfältigen Angebot.
Dennoch haben Destinationen wie die Türkei einen zweistelligen Rückgang der Gästezahlen erlebt.
Für mich ist erst einmal entscheidend, dass unsere Industrie insgesamt wächst. Und das tut sie. Die Menschen wollen verreisen, fremde Kulturen und Länder erkunden, nur ihre Präferenzen verschieben sich von Jahr zu Jahr. Die TUI ist in über 100 Ländern der Erde präsent. Unser Geschäft verfügt also über eine breite Basis. Wir haben im Rahmen des Zusammenschlusses mit TUI Travel Ende 2014 dem Kapitalmarkt versprochen, im Dreijahreszeitraum bis zum Geschäftsjahr 2017/18 einen Zuwachs beim bereinigten EBITA von durchschnittlich mindestens 10 Prozent pro Jahr zu erzielen. An dieser Prognose halten wir fest.
»Die Tourismusindustrie wächst.
Die Menschen wollen verreisen.«
Sie haben im vergangenen Geschäftsjahr sechs Bereiche definiert, die Sie aus der Konzernzentrale heraus steuern wollen. Welchen Hintergrund hatte diese Entscheidung?
Wir wollen auf globaler Ebene Skaleneffekte nutzen, die sich durch unsere Größe und Internationalität anbieten, und die uns Vorteile im Wettbewerb bringen. Unter dieser Maßgabe haben wir uns die unterschiedlichen Themenfelder unseres Konzerns angeschaut und sechs Bereiche identifiziert, in denen wir die Stärke eines weltweit operierenden Konzerns ausspielen können. Dies sind Marke, IT, Flug, Investitionen in Hotels und der Produkt-Einkauf, Kreuzfahrten sowie der Service in den Destinationen. Dort hingegen wo der Wettbewerb entschieden wird, nah am Kunden mit individuellen Wünschen, agiert das lokale Management in den Märkten vollkommen eigenständig. Ich nenne dieses Zusammenspiel „Freedom within a framework“.
Die Einführung der globalen Dachmarke TUI stellt sicherlich eine besondere Herausforderung dar. Wie weit sind Sie hier inzwischen vorangekommen?
Die Marke TUI ist international extrem stark. Wir haben große Fortschritte erzielt, was insbesondere dem enormen Einsatz und Engagement der lokalen Märkte zuzuschreiben ist, die die Umstellung auf die Marke TUI vorbildlich unterstützen – vor allem mit vielen Ideen und Aktionen für die lokalen Mitarbeiter. Neben Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen, wo wir schon immer unter dem Namen TUI im Markt aufgetreten sind, operieren wir inzwischen auch in den Niederlanden, Frankreich, Belgien sowie Skandinavien unter der globalen Dachmarke. 2017 folgen als letzte Länder Großbritannien und Irland. Ab nächstem Jahr erleben unsere Kunden dann in ganz Europa entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Beratung im Reisebüro, über den Flug bis hin zur Betreuung im Zielgebiet ein durchgängiges Markenerlebnis. In den Destinationen haben wir dafür ein gemeinsames internationales Team gebildet und so die zuvor nach Nationen aufgeteilten Reiseleiter zu einer Einheit zusammengeführt. In den Zielgebieten ist die TUI-Marke bereits extrem präsent. Die Kunden vertrauen TUI und die Mitarbeiter sind stolz, Teil dieser internationalen TUI-Familie zu sein.
Warum steuern Sie die Entwicklung des Hotel- und Kreuzfahrt-Portfolios zentral?
Wir wollen in beiden Geschäftsfeldern in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Bei den Investitionen, die hierfür notwendig sind, sollten wir uns als Konzern darüber einig sein, in welche neuen Häuser, Länder und Schiffe unsere Mittel fließen sollen. Denn am Ende entscheidet die Auslastung der Hotels und Schiffe, die durch die Vertriebsstärke der lokalen Märkte sichergestellt wird, wie erfolgreich wir sind. Deshalb ist es auch sinnvoll, unsere vier Hotelmarken Riu, Robinson, TUI Blue und TUI Magic Life sowie die drei Hotelkonzepte Sensimar, Sensatori und Family Life international zu vermarkten.
Werden Sie sich beim Ausbau des Hotelbereichs auf bestimmte Destinationen konzentrieren?
Die Fernziele gewinnen enorm an Bedeutung und die Kapitalrendite ist besonders gut in Ländern mit 365 Tagen Sonne. Deshalb werden wir unsere eigenen Hotels vornehmlich in diesen Regionen errichten. Ein Schwerpunkt unserer Investitionen liegt dabei in der Karibik – ein Ganzjahresziel, das sowohl Gäste aus Europa als auch den USA immer wieder bereisen. Wir verfügen inzwischen mit dem Dreamliner über ein Flugzeug, das aus Großbritannien ohne Zwischenstopp dorthin fliegen kann, und das zu relativ günstigen Kosten. Dies erlaubt es uns, einen Urlaub in der Karibik nahezu zu jenen Aufwendungen zu produzieren wie auf den Kanaren. Zum anderen wächst der Bedarf in der Karibik jedes Jahr zweistellig, ohne dass es die entsprechenden Hotelkapazitäten geben würde. Also bauen wir unsere Hotels dort selber und gehen davon aus, dass jedes Haus eine Kapitalrendite von bis zu 20 Prozent erzielt.
»Wir wollen im Hotel- und
Kreuzfahrtgeschäft weiter wachsen«
Welche Motive spielen bei der Zentralisierung des Flugbereichs eine Rolle?
Wir haben uns in der Vergangenheit wie fünf separate Fluggesellschaften verhalten und die Kosten-Vorteile, die innerhalb eines Airline-Verbundes möglich gewesen wären, nicht konsequent genutzt. Dies ändern wir jetzt. Wir sind zum Beispiel einer der größten Kunden von Boeing, dies sollte sich auch in den Konditionen beim Einkauf der Flugzeuge niederschlagen. Darüber hinaus konfigurieren wir die Flugzeuge nun so, dass wir sie leichter zwischen den einzelnen Ländern, je nach Bedarf, austauschen können. Aus einer Hand steuern wir zudem die Wartung und das Ground Handling. In der lokalen Verantwortung verbleiben die Flug- und Crew-Planung. Insgesamt erwarten wir von der stärkeren Zentralisierung erhebliche Einsparungen.
Die Digitalisierung hat viele Industrien radikal verändert. Welche Schritte unternimmt die TUI Group, um den Wandel in der Touristik aktiv zu gestalten?
Entscheidend ist für uns, eine zentrale IT-Infrastruktur aufzubauen. Wir brauchen eine einheitliche Kundenplattform sowie ein zentrales CRM-System, um einen Blick auf unsere Gäste zu gewinnen. Nur so können wir Kunden maßgeschneiderte, individuelle Angebote unterbreiten. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass ein Gast im Robinson Club Cala Serena auf Mallorca das Zimmer 624 bevorzugt und dieses kurzfristig in der ersten Oktober-Woche noch nicht belegt ist, dann wäre es doch toll, wenn wir ihm dieses zu einem besonders günstigen Preis anbieten könnten. Hiervon würden beide Seiten profitieren. Diesen Weg müssen wir zukünftig beschreiten. Wir werden so individueller und persönlicher für die Gäste.
»Führung brauche ich in Zeiten des Wandels.«
Sie beschäftigen sich nicht nur sehr intensiv mit der Strategie und den Wachstumsfeldern des Konzerns, sondern auch mit dem Thema Führung. Was macht einen guten Manager für Sie aus?
Die Anforderungen an eine Führungskraft sind sehr vielfältig und komplex, zumal wenn sie ein internationales Team verantwortet oder in einer Matrix-Struktur arbeitet. Ich glaube aber, dass vier Dinge für gute Führung elementar sind. Ein Manager sollte immer eine Vision haben und davon seine Strategie ableiten. Er sollte Menschen inspirieren können und als Vorbild dienen, um bei Mitarbeitern Engagement zu erzeugen. Eine gute Führungskraft sollte ein Team aufbauen, das mit den richtigen Leuten an den richtigen Positionen besetzt ist. Und nicht zuletzt sollte sie ein Macher sein, der klare Ziele definiert, Hindernisse aus dem Weg räumt und darauf vorbereitet ist, schwierige Entscheidungen zu treffen.
Mitarbeiter weltweit
Sind kommunikative Fähigkeiten hingegen nicht mehr so entscheidend, weil durch die Digitalisierung Mitarbeiter auf viele Informationen selbst zugreifen können?
Wer sich nicht mit Menschen im positiven Sinne auseinandersetzen möchte, der sollte keine Führungsposition anstreben. Führung brauche ich vor allem in Zeiten des Wandels. Und nur wer offen und kontinuierlich im Dialog mit seinem Team ist, wird die Mitarbeiter auf dem Weg der Veränderung mitnehmen können. Jeder hat da sicherlich einen eigenen Stil, was auch völlig in Ordnung ist. Doch es braucht in jedem Fall eine Vision. Bei uns im Konzern verfolgen wir die Vision „Think Travel. Think TUI“. Wir wollen in den Köpfen und Herzen der Menschen an erster Stelle stehen, wenn sie ans Reisen und ferne Länder denken. Dies ist ein sehr ambitionierter Anspruch. Ein Anspruch, den Führungskräfte und Mitarbeiter ganz individuell mit ihren Ideen und Verhaltensweisen zum Leben erwecken können.
FÜHRUNGSMODELL
Ein gutes Modell besteht aus vier Bausteinen:
Vision, Inspiration, Teamgestaltung und Verwirklichung.